Wir möchten euch einen Einblick in einen aktuellen Fall geben, in dem 20 Personen akut der Wohnraum genommen werden soll. Wir sind zwei WGs mit dreizehn (“Die Wilde 13”) und sieben Personen (“F91 e.V.”), die in wechselnder Besetzung seit den 1980er Jahren in zwei Etagen eines alten Fabrikgebäudes mitten in Ottensen wohnen. Die Flächen wurden damals zu Wohn- und Gewerbezwecken angemietet und teils mit finanzieller Unterstützung der Stadt, größtenteils jedoch eigenfinanziert renoviert und ausgebaut. Die WGs waren und sind über die Stadtteilgrenzen hinaus für ein buntes Leben bekannt. Nun wurde das gesamte Gebäude im vergangenen Jahr an den Immobilienfonds Lapis RE verkauft. Sie bezeichnen sich selbst als „inhabergeführte Investment- und Management-Boutique“, die „Wohn- und Investmentimmobilien für Lebensqualität und Werthaltigkeit“ entwickelt (Zitat: lapis.re).
Schnell wurde klar, was deren Auffassung von Werthaltigkeit ist und dass wir hierbei störend sind. Der Grundbucheintrag war noch nicht einmal geändert, schon kontaktierte uns eine von Lapis beauftragte Anwältin. Wir wurden zur Nutzung der Räumlichkeiten befragt, eine Auflistung aller Bewohnenden wurde gefordert, Begehungen fanden statt. Es folgten Abmahnungen aus fadenscheinigen Gründen und anschließend fristlose Kündigungen. Bei F91 e.V. war es ähnlich. Auch hier wurde ein ebenso absurd anmutender Grund gefunden, um eine vermeintliche Grundlage für eine fristlose Kündigung zu finden. Zu diesem Zeitpunkt standen wir bereits eng mit dem Mietverein Mieter helfen Mietern im Austausch und hatten deren Support im Rücken. Mit Entschlossenheit entschieden wir uns dazu, der von den Eigentümern gestellten Räumungsfrist von zwei Wochen nicht nachzugehen. Wir sind geblieben.
Im Frühjahr haben die Eigentümer dann Räumungsklage gegen die Wilde 13 erhoben. Erwartungsgemäß folgte die Räumungsklage gegen F91 e.V. rasch danach.
Leider haben wir ein trauriges Beispiel vor Augen, was noch alles auf uns zukommen könnte. Im selben Innenhof befindet sich ein weiteres Gebäude, das bis 2019 von zwei WGs bewohnt wurde. Dieses Gebäude wurde vor einigen Jahren an eine Firma verkauft, die laut Homepage in die Unternehmensgruppe von Lapis fällt. Ebenso sind Überschneidungen in der Geschäftsführung ohne große Suche im Handelsregister zu finden. Auch hier fanden über zwei Jahre lang Rechtsstreits und permanenter Druck, z. B. in Form von ständigen Begehungen, statt. Letztendlich fand man eine Form der Einigung und die WGs zogen aus. Das Gebäude steht bis heute leer.
Besonders tragisch ist es, dass dies alles im Gebiet der sozialen Erhaltungsordnung stattfindet und die Stadt seit Kurzem nicht mehr in der Lage ist, das Vorkaufsrecht durchzusetzen, um genau dies zu verhindern.
Wir kämpfen für unser Recht auf Wohnen. Der erste Verhandlungstag im Prozess gegen die Wilde 13 fand Mitte September am Amtsgericht in Altona statt. Das Urteil wird Ende Oktober erwartet. Der Termin zur Verhandlung der Räumungsklage gegen F91 e.V. steht aktuell noch aus. Das Fortbestehen beider WGs ist unsicher! Insbesondere gehen wir davon aus, dass, auch wenn die ersten Rechtsstreits gewonnen werden sollten, es nicht zu Ende sein wird.
Danke an Hamburg enteignet für die Möglichkeit, auf unsere Situation aufmerksam zu machen und diesen Artikel hier zu veröffentlichen. Wer gern mit uns in Kontakt treten und zu den aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden bleiben möchte, kann uns sehr gern eine kurze Mail an [email protected] schicken – wir freuen uns über jeden Support und Möglichkeiten der Vernetzung!
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