Hamburg, deine Häuser

Einmal mehr sollen kulturschaffende MieterInnen ihre vergleichsweise bezahlbaren Wohn- und Arbeitsräume zugunsten neuer InhaberInnen räumen. Seit knapp 40 Jahren bewohnt der Verein F91 e. V. die oberste Etage der ehemaligen Maschinenfabrik in der Großen Brunnenstraße 63a. Wohnräume und Ateliers wurden hier aus eigenem Bemühen heraus erschaffen. Als UrheberInnen ihres Wohnprojekts wurde den BewohnerInnen in den 90er-Jahren im Rahmen eines Programms zur Vermeidung von Leerstand, zum Bestandsschutz vorhandener Gebäude sowie zur Unterstützung „neuer, selbstbestimmter Wohn- und Lebensformen“ finanzielle Förderung seitens der Stadt zugesprochen.

Lapis RE Nord HH-Alster-West GmbH nennt sich der neue Vermieter umständlich. Das Nachbarhaus ist bereits in Besitz einer weiteren Firma ihrer Unternehmensgruppe und steht seit nunmehr 4 Jahren leer. 

Als Vorhaben wird genannt, dass man die Energieeffizienz der Gebäude erweitern will um die Klimaziele der Stadt zu unterstützen. 

Das Gebiet steht unter Milieuschutz. Jedoch verbleibt das mit der sozialen Erhaltungsverordnung verbundene Vorkaufsrecht der Stadt aufgrund ausstehender Nachbesserung seit 2021 deutlich geschwächt.

Abmahnungen und Kündigungen flatterten also ein, Begehungen wurden vorgenommen.

Am vergangenen Dienstag fand nun der erste Gerichtstermin aufgrund einer Räumungsklage im Amtsgericht Hamburg-Mitte statt.

Hier war von edlen Zielen der Klägerin allerdings nicht die Rede. Auf die Frage des Gerichts, worauf sich die Klage denn eigentlich stütze, fielen eher stichwortartige Argumente. Mangelnder Brandschutz beispielsweise. Außerdem würden die Räume nicht wie im Mietvertrag vereinbart zum Arbeiten genutzt. Das Gericht sah allerdings nicht, dass jene Vereinbarung zur Arbeitsnutzung verpflichte.

Bei einigen ZuschauerInnen löste die Argumentation der Klägerin großes Unbehagen, teilweise sogar Gelächter aus. Interessant war zudem, welches Bild sich im Gerichtssaal ergab: Die Anwältin trat stellvertretend für ein beliebig aus dem Hintergrund wirkendes Unternehmen auf – ihr gegenüber eine bunte Gruppe von Menschen. Zum einen die sieben Vereinsmitglieder und WG-BewohnerInnen, sowie zwischen 25-30 FreundInnen und UnterstützerInnen, die um den Fortbestand des Wohnprojekts bangen.

Das Thema hinter solchen Verhandlungen ist also eindeutig ein größeres. Denn wenn Unternehmen weiterhin wahllos Gebäude aufkaufen können um mit großer Wahrscheinlichkeit nur wieder vereinheitlicht-überteuerte Wohnungen zu schaffen und somit bestehende Gemeinschaften sprengen, verlieren wir die Menschen die unserer Stadt Farbe verleihen und mit ihren Beiträgen und Arbeiten unsere Kultur bereichern – denn sie werden sich das Leben hier nicht mehr leisten können.

Eine Urteilsverkündung wurde für den 16. Februar 2024 angesetzt.


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